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Rezensionsexemplar

Die Götter müssen sterben

Veröffentlicht am 26/07/2023

Die Amazonen stehen vor einem Wendepunkt in ihrer Geschichte.

Werden sie im Krieg um Troja zu alter Stärke zurückfinden oder untergehen?

 

Ich bin mit den Animationsserien von Herkules und Odysseus aufgewachsen. Und wie habe ich sie geliebt, die Geschichten von Helden, Göttern und Gefahren. Doch “Die Götter müssen sterben” erzählt die Geschichte aus einem anderen Blickwinkel und sieht die Helden zwar in strahlenden Rüstungen, aber vor allem die Schattenseiten ihrer Taten.

 

Die Götter müssen sterben

Buchinformationen

AuthorNora Bendzko
VerlagKnaur
Erscheinungstermin2021-06-01
ISBN978-3426526118
Erschienen alsE-Book, Taschenbuch, Hörbuch
Gelesen alsE-Book
Bewertung

Klappentext

Wird sie die Amazonen retten – oder in den Untergang führen?
Düster, dramatisch und atemraubend actionreich: Dark Fantasy aus der Welt der Amazonen

Die Zeit der Unterdrückung ist vorbei!
Troja wird fallen, und die Amazonen werden sich endlich an den Helden rächen, die ihresgleichen töteten. So besagt es eine Prophezeiung von Artemis, der Göttin der Jagd, Herrin des Mondes und Hüterin der Frauen. Wenn die prunkvolle Stadt in Schutt und Asche liegt, sollen die Amazonen die Welt beherrschen.
Doch Artemis segnet ausgerechnet Areto mit ihren Kräften, die keine Kriegerin ist und auch sonst kein hohes Ansehen genießt. Wie kann eine wie sie der Macht einer Göttin würdig sein und ihre Schwestern in eine neue Welt führen?
Während Areto lernen muss, mit ihrem Schicksal umzugehen, spaltet ihre Erwählung die Amazonen in zwei Lager – ein Konflikt, der ihrem Volk im Trojanischen Krieg den Untergang bringen könnte. Denn der wahre Feind lässt sich nur mit vereinten Kräften töten. Um das Leid der Amazonen zu enden und sie zur Macht zur führen, müssen nicht nur Helden sterben, sondern auch Götter.

Meine Eindrücke

Die Charaktere

Normalerweise würde ich hier jetzt kurz was zu den drei Hauptcharakteren und Perspektiventrägerinnen sagen und ihre Ausgangssituationen anschneiden, aber das fällt mir sehr schwer. Areto, Clete und Penthesilea stehen an so unterschiedlichen Punkten. Eine Schreiberin, eine Jägerin und eine Königin. Alle drei haben Schatten in ihrer Vergangenheit über die sie nicht sprechen. Aretos Hintergründe lernen wir sofort zu Anfang kennen, Penthesileas Geschichte folgt erst nach und nach. Und Cletes Erlebnisse erfahren wir erst zum Schluss, auch wenn wir hin und wieder Brotkrumen in den Zeilen finden können.

Die Geschichten der drei Frauen sind verschieden aber doch fest miteinander verwoben. Ich bin ehrlich und konnte mich mit Clete und vor allem Areto nicht so ganz anfreunden, aber dafür gab es Penthesilea und was bin ich gerade Richtung Schluss wegen ihr an den Seiten geklebt.

 

Aber was wäre ein Buch ohne seine Nebencharaktere? Und davon gibt es ein paar. Kaystros, Melanippe, Xenon, Lacomache, Iphito...und Achilles. Vor allem Achilles, auch wenn er wahrscheinlich am wenigstens Screentime von den eben genannten hat. Ich weiß nicht wieso, aber ich fand Achilles den spannendsten Charakter. Wahrscheinlich, weil ich mich nie wirklich mit seiner Geschichte befasst hab. Es ist schon irgendwie ironisch, dass ich in einer Geschichte, die die griechischen Helden eher negativ darstellt, einen eben jener Helden am tollsten finde, oder? Ich fand sein Konzept so gut, obwohl die Helden eher antagonistisch dargestellt werden und Achilles dem gegen Ende sicherlich auch gerecht wird, lernt man ihn zu Anfang etwas anders kennen. Und das mochte ich extrem.

Aber gut, zurück zu den Amazonen. Ich mochte sehr, was für Geschichten die Nebencharaktere mitbringen. Eigene Ziele und Motivationen. Niemand wird einfach so und nebenbei erwähnt um eine Kulisse zu schaffen, sondern bekommt etwas mehr Raum. Ich liebe es wie alles ineinander greift und dass man das Gefühl hat, selbst als Statist wichtig zu sein.

 

Die Handlung

Alles beginnt mit dem Feldzug der Amazonen gegen Athen, um ihre Prinzessin Antiope zu befreien. Theseus und Herakles stellen sich dem Heer und die Amazonen ziehen nicht ohne große Verluste ab.

Viele Jahre später wütet der Krieg um Troja, ein Schlachtfeld voller Menschen, Helden und Götter. Ares drängt seine Kinder teilzunehmen, doch die Amazonen sind noch immer geschwächt von ihrer Niederlage, zumindest denkt so eine von drei Königinnen. Erst als Artemis ihnen die Welt verspricht beschließen die drei Amazonenstämme loszuziehen und ihren Ruhm auf dem Schlachtfeld zurückzuholen. Aber Artemis wählt ausgerechnet Areto aus, die Stärkste der Kriegerinnen zu sein, obwohl sie selbst keine ist.

Während Götter gegen Götter kämpfen und ihre Anhänger Qualen leiden ist es an an Areto, Clete und Penthesilea herauszufinden, was ihre oberste Göttin plant und wo das Kind aus Blitz und Donner steckt, das die Götter zu Fall bringen kann.

 

“Die Götter müssen sterben” brauchte leider verhältnismäßig lange, um sein Potenzial zu entfalten. Die ersten 100 Seiten haben sich für mich sehr zäh gelesen, der Klappentext hat einfach einen Punkt aufgegriffen, der auf sich warten lässt. Und ja, das fand ich zeitweise etwas anstrengend. Ich wusste was passieren wird und “musste” trotzdem über 100 Seiten lesen um bis zu diesem Punkt zu kommen. Das Problem dabei ist gar nicht, dass der Weg nicht spannend war, sondern vielmehr, dass es mir schwer fiel den Szenen aufmerksam zu folgen, weil ich hinterfragt habe, ob die Szenen so ihren Sinn für die Handlung haben. Haben sie sicherlich, keine Frage. Charaktere werden eingeführt, Beziehungen beleuchtet und vor allem die Gebräuche des Amazonenvolkes dargestellt und erklärt. Das ist auch alles gut und schön, ich fand die Vielfalt der Figuren und die Darstellung von Diversität wirklich unglaublich gut, aber für mich ist es einfach zu wenig. Die Geschichte ist sehr klassisch aufgebaut und bis wirklich etwas passiert dauert es einfach. Das passt durchaus zum Buch und dem Setting, aber nicht zu meinen Lesevorlieben. Bis zum Ende war der Spannungsbogen für mich eher wackelig. Die Wege, Abzweigungen und Pausen einfach zu lang. Auch wenn die Struktur mit Szenen aus Götter-Sicht und Einblicke in Penthesileas Vergangenheit aufgelockert wurden, hat es für mich einfach nicht Klick gemacht. Ja, ich fand besagte Auflockerungen tatsächlich am interessantesten zum Lesen und die Penthesilea-Achilles-Patroklos Geschichte hat mir unglaublich gut gefallen, aber...das ist für ein fast 500 Seiten Buch halt nicht viel.

Bis es nach Troja geht vergeht einige Zeit und was habe ich mich auf den Moment gefreut, als die Amazonen dort endlich(!) angekommen sind. Was ich dort geboten bekommen habe hat mir auch wirklich gut gefallen. Ich mochte den Kampf sehr, das Chaos, den Blutdurst, die Gefühle, die vermittelt wurden. Bis zum Schluss. Und dann...kam ein sehr enttäuschendes letztes Kapitel.

Ja, ich weiß. Dieses Buch handelt nicht über den trojanischen Krieg. Jeder weiß wie die Geschichte endet, warum das länger als nötig ausspielen? Keine Ahnung, ich hatte mir tatsächlich mehr nette Wendungen und Twists erhofft. Denn ja, da waren ein paar wirklich coole dabei. Auch die Ansätze und das Konzept vom Ende fand ich interessant, auch wenn es ein bisschen gemein ist, wie mit meinen Erwartungen gespielt wurde.

 

Der Schreibstil

Kommen wir zu meinem größten Problem mit dem Buch: Dem Schreibstil.

Er ist nicht schlecht, überhaupt nicht! Diese ausgewählte und literarische Sprache passt unfassbar gut zum Buch und der Mythologie. Sie baut eine wirklich gute Atmosphäre auf und lässt einen die Geschichte miterleben.

Aber der Stil hat bei mir dazu geführt, dass ich keine wirkliche Verbindung zu den Figuren aufbauen konnte. Es war sehr viel Distanz zwischen mir und den Amazonen und ich glaube, dass “Die Götter müssen sterben” für mich sehr viel spannender gewesen wäre, wenn ich emotionaler involviert gewesen wäre.

Natürlich habe ich die Daumen für die Kriegerinnen gedrückt und bis zuletzt gehofft, aber gerade Areto hat mich sehr wenig interessiert, obwohl sie so eine wichtige Rolle einnimmt. Das war alles in allem sehr ungünstig und ist sicherlich ein Grund, warum der Funke bei mir nicht so wirklich überspringen wollte.

 

Fazit

Gut, das klingt jetzt alles negativer als es wirklich ist. Mich hat das Buch gut unterhalten und die Geschichte hat mir Spaß gemacht. Es ist kein Jahreshighlight für mich, aber ganz sicher kein schlechtes Buch. Ich bin ab einem gewissen Punkt durch die Geschichte geflogen um endlich zu dieser einen Szene zu kommen und nein, ich war davon nicht genervt.

Die Devise von “Die Götter müssen sterben” ist sehr simpel zusammengefasst: Der Weg ist das Ziel. Es interpretiert die Helden neu und von einem anderen Blickwinkel was ich nach wie vor unfassbar cool finde. Aber da wo es drauf ankommt, bleibt “Die Götter müssen sterben” den Vorlagen der griechischen Mythologie beziehungsweise des trojanischen Krieges treu. Verständlich, ich hätte mir dennoch noch den ein oder anderen Twist dazwischen gewünscht. Und dafür hätte das Buch dann auch gerne länger sein können!

Nichtsdestotrotz liebe ich die Botschaften, die das Buch vermittelt. Sei es im Bezug auf Sexualtität, Geschlechtsidentität oder oder. Der Kontrast zu den Gebräuchen der Griechen und auch unser heutigen Gesellschaft wurde deutlich und das fand ich einfach toll. Für mich hätte es durchaus weniger Sex geben können, aber das fällt dann wieder unter die persönlichen Präferenzen. Auch Areto als Auserwählte und stärkste Frau war einer der großen Pluspunkte in diesem Buch.

Ich bleibe also zwiegespalten zurück, ich fand die Geschichte und was dahinter steht toll. Der Funke konnte nicht so ganz überspringen, aber das hindert mich nicht daran, das Buch jedem der (nicht) fragt zu empfehlen.