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Rezensionsexemplar

Der dunkle Schwarm

Veröffentlicht am 27/07/2023

In “Der dunkle Schwarm” entführt uns Marie Grasshoff in eine nahe Zukunft, die geprägt ist von Umweltterrorismus, Kapitalismus und Hirnimplanten.

Der dunkle Schwarm

Buchinformationen

AuthorMarie Graßhoff
Bandnummer1
VerlagLübbe
Erscheinungstermin2021-07-30
ISBNB08LZPNXT7
Erschienen alsE-Book, Taschenbuch, Hörbuch
Gelesen alsE-Book
Bewertung

Klappentext

Im Jahr 2100 können Menschen ihr Bewusstsein mittels Implantaten zu Schwärmen verbinden, den Hive Minds. Die Programmiererin Atlas Lawson profitiert davon gleich doppelt: Tagsüber arbeitet sie für den größten Hive-Entwickler. Nachts betreibt sie unter dem Decknamen Oracle einen lukrativen Handel mit Erinnerungen, die sie aus Hive-Implantaten stiehlt. Nur ihr Androide Julien weiß von ihrem gefährlichen Doppelleben. Doch dann löscht ein Unbekannter auf einen Schlag einen ganzen Hive aus — etwas, das eigentlich unmöglich sein sollte ...

Meine Eindrücke

Die Charaktere

Atlas kann mit ihrem ADIC mehr, als sie können sollte und andere können. Sie kann in den Kopf jedes Menschen eindringen und Erinnerungen und Gefühle sehen und spüren. Darüber hinaus besitzt sie ein sehr gutes Verständnis für Maschinen und Programme. Tags nutzt sie diese Fähigkeiten um als stinknormale Programmiererin bei Hypermind zu arbeiten, nachts besorgt sie ihren Kunden alles, was sie brauchen. Wenn das Geld stimmt.

 

Julien ist ein Androit und immer an Atlas Seite. Er hat sie großgezogen und begleitet sie mittlerweile seit vielen, vielen Jahren. Nicht nur ist er ihr Beschützer sondern greift ihr auch immer mit Recherchen und Rechenleistung unter die Arme.

 

Noah ist der Sohn eines reichen Industriebosses, dennoch hat er sich der Kunst verschrieben. Er besitzt einen starken Moralkompass und Gerichtigkeitssinn, zusätzlich ist er sich gewisser Missstände nicht bewusst.

 

Ich muss ehrlich sagen, dass ich mit den Charakteren allen nicht so wirklich warm werden konnten. Es war vor allem Atlas Art, die mir nicht zugesagt hat und auch Noah als Gegenpol hat da wirklich wenig daran geändert sondern eher dazu beigetragen, dass ich mit beiden nicht wirklich sympathisieren konnte. Dagegen mochte ich tatsächlich Julien noch am liebsten, er ist einfach eine treue Seele (haha).

 

Es war von Anfang an etwas gewöhnungsbedürftig, alle Figuren und Statisten aus Atlas Blickwinkel kennenzulernen. Dadurch, dass sie einfach in die Köpfe der Menschen schauen kann wusste man immer, was die Figuren wirklich denken und auch teilweise, wie Atlas reagieren muss, damit die Leute halbwegs das tun, was sie von ihnen will. Leider ging für mich persönlich etwas Tiefe verloren, weil die vielseitigen Züge einer Person verschwimmen und man nicht nach und nach eine Persönlichkeit kennen lernt, sondern sofort sehr viel weiß. Besonders schade fand ich es auch, dass die hochrangigen Personen alle eine Fassade aufrecht erhalten und trotz unterschiedlicher Motivationen und Ziele, sehr gleich in ihrem Umgang mit Atlas wirken.

 

Die Handlung

Nachdem Atlas einen Auftrag abgeschlossen hat, wollte sie eigentlich ihrem Tagjob nachgehen. Doch die Organisation The Cell blockiert alle Straßen zu ihrem Arbeitsplatz. Der Vandalismus der Protestanten macht es ihr unmöglich, sobald wieder arbeiten zu gehen. Stattdessen wartet in der Nacht ein neuer Kunde auf sie, Noah. Nachdem ein ganzer Hive ausgelöscht wurde, darunter seine Schwester, versucht er herauszufinden, wer dafür verantwortlich ist, doch dafür braucht er die Hilfe von Atlas. Das Geld stimmt zwar, dennoch lehnt Atlas ab. Zu gefährlich scheinen ihr diese Recherchen zu sein, obwohl die Neugier sie plagt. Denn eigentlich sollte es nicht möglich sein, einen ganzen Hive auszulöschen, indem ADICs überlastet werden. Erst als sich ein ehemaliger Kunde gegen sie wendet, fest davon überzeugt, dass sie die Übeltäterin ist, nimmt sie Noahs Auftrag an. Denn ihr Entschluss dem ganzen nachzugehen ist gefasst und warum sich nicht dafür bezahlen lassen?

 

Da “Der dunkle Schwarm” ursprünglich als Hörbuchserie erschienen ist, ist das gesamte Buch in Folgen unterteilt, welche in 3-5 Kapitel gegliedert sind. Die Folgen haben auch ihren eigenen, kleinen Handlungsbogen der sich zum Ende hin etwas verliert, aber man bekommt dennoch ein Serienfeeling. Die Geschichte von Atlas, Julien und Noah ist sehr rasant erzählt und nimmt sich nur selten Atempausen, die Atlas mit ihren oft überlasteten ADIC eigentlich häufiger gebrauchen würde.

Neben der Suche nach dem Mörder lernt Atlas jedoch auch viel von Noah, der sie zu ihrem verdruss immer begleiten möchte. Ihr leben lang hat Atlas nur auf sich geschaut und nun kommt da Noah, der sie mehr oder weniger dazu zwingt, sich auch mal unbequeme Gedanken über andere zu machen, was richtig und falsch ist.

Die drei schlittern häufig in Probleme und mehr als einmal würde Atlas am liebsten verschwinden, aber es geht immer weiter. Sie treibt sich selbst zu Höchstleistungen, während die anderen oft nur Statisten sind. Sie hat die Fähigkeiten und sie ist dafür verantwortlich, das Unmögliche zu vollbringen. Sehr viel Verantwortung für jemanden, der das wahrscheinlich nie so gewollt hat.

Etwas, was ich recht nervig fand, waren die Beschreibungen wie Atlas hackt, Daten sammelt und analysiert. Weil sie sich sehr oft wiederholen und die Autorin dabei sehr oberflächlich bleibt, den Prozess aber gerade am Ende in die Länge zieht. Natürlich geht sowas nicht von jetzt auf gleich, aber es wurde mir teilweise zu ausufernd und blieb dabei so oberflächlich. Es wirkte so, als würde sich die Autorin nicht trauen, mehr ins Detail zu gehen. Zum einen wahrscheinlich, um nicht so technikaffine Leser:innen zu langweilen, zum anderen, um zu verhindern, Fehler bei den Beschreibungen zu machen, die technikaffinen Leser:innen auffallen. Ich fand die Ansätze ganz cool, die in diese Richtung gemacht wurden, fand es aber auch schade, dass die Autorin dabei größtenteils auf sicherem Land bleibt.

 

Das Worldbuilding

Allgemein mochte ich die Ansätze des Worldbuildings wahnsinnig gerne. Gerade die sanften Cyberpunk-Vibes gepaart mit Klimawandel und einer sterbenden Erde haben mich richtig gepackt. Ich hab mich sehr darüber gefreut, dass auch Geoengineering seinen Weg in die Geschichte gefunden hat, das Konzept jedoch auch hinterfragt wird. Und sei es nur indirekt.

Leider bleibt das Buch sehr oberflächlich und gibt mir sehr wenige Hintergrundinformationen. Vor allem die Hives und ADICs haben bei mir Fragen aufgeworfen, die sich weder aus dem Kontext noch aus dem direkten Worldbuilding ergeben haben.

Was ich sehr schade fand, war vor allem, wie Technik dargestellt wurde und wie Atlas beispielsweise hackt. Dabei wird zwar nur einmal wirklich beschrieben, was sie tut, aber gerade das eine mal hat mich ziemlich rausgehauen. Hauptsächlich, weil es dabei um Sicherheitsmechanismen geht, die Firmen bereits heute besser machen und in eine so fortschrittliche Welt nicht wirklich passen. Allgemein wurde wenig mit technischem Fortschritt gespielt, denn abseits von Androiden haben Künstliche Intelligenzen keinen Platz oder werden zumindest nicht verwendet. Auch was Hacking betrifft wirkte für mich vieles etwas...schwierig in der Umsetzung. Zwar hat das die Dramaturgie gefördert, lässt mich aber eher mit hochgezogenen Augenbrauen zurück. 

 

Fazit

Ich mochte “Der dunkle Schwarm” im Großen und Ganzen ganz gerne. Das Buch bleibt sehr oberflächlich und hetzt durch den Plot, ein bisschen mehr Zeit hätte dem Buch sicherlich gut getan, hängt aber vielleicht/wahrscheinlich damit zusammen, dass es als Hörbuchserie geschrieben wurde und dafür wahrscheinlich andere Ansprüche gelten.

Andererseits wird es nie langweilig, weil der nächste Knall nicht lange auf sich warten lässt und sowas mag ich ja eigentlich ganz gerne.

Ich kann das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen. Es ist mehr Fiction als Science, aber das ist in Ordnung. Für Menschen, die keine seitenlangen Beschreibungen über technischen Kram lesen möchten, ist das auf jeden Fall einen zweiten Blick wert. Dafür ist es etwas schwierig, hinein zu finden, weil relativ wenig erklärt wird und man viel aus dem Kontext herleiten muss, was ich wiederum auch sehr cool fand, auch wenn es den Anfang etwas verwirrend gemacht hat.